Es läuft

 Nach einer guten Nacht und einem leckeren Frühstück werde ich von Heinz und seinem Enkel zu meinem Ausgangspunkt, dem Kreuzberg zurück gefahren. Sie laufen noch ein Stück mit mir, um mir den richtigen Weg zu zeigen. Am Wegweiser zucke ich kurz zusammen, da dort steht, dass es bis zum Ziel 31,5 km sind. Ich hatte nur 24 km auf dem Schirm. Aber das nützt nun alles nichts, da muss ich durch. Denn ich habe ein Bett in Bad Kissingen. Ich sage tschüss und stapfe fröhlich bergab und bald bin ich umgeben von Bärlauch, hohen Bäumen und Vogelgezwitscher. Herrlich. Dann wird der Wald dunkel, da die Tannen hier hoch und dicht stehen. Ein richtiger Hexenwald. Über eine Wiese geht es weiter in einen anderen, lichteren Wald. 




Eine Quelle sprudelt fröhlich und da der Weg auch der Marienweg ist, begegne ich dieser immer wieder.
Ein Bach murmelt und ich fühle mich frei.



Am Wegesrand blühen schon Schlüsselblumen an einer Bank kann ich Handschuhe und Mütze in den Rucksack verbannen. 



Es geht stets bergab und ich komme gut voran. In Langenleiten ist die Kirche offen, sodass ich für den schönen Morgen danken kann. Der Ort ist hübsch herausgeputzt. Es gibt überall Bänke und Bronzeskulpturen. Es scheint er rühriges Örtchen zu sein.



Auf Schotterwegen pilgere ich weiter bergab. An einer Weide rede ich mit den Bauersleuten und sie sind ganz redseelig und wünschen mir einen guten Weg. Weiter bergab komme ich nach Premich, wo ich mich auf eine Bank setzte und eine Pause halte. Der Fleischer hat geschlossen, doch putzt jemand darinnen die Vitrinen. Ich gehe mit meinen Teebeutel zur Tür und klopfe, doch die Dame macht eine abwehrende Bewegung, sodass es keinen Tee zum Käsebrot gibt. 



Weiter geht es uns im Wald, an dem Marienkreuz stehen Wegweiser. Auf dem JW sind es 18 km bis zum Ziel, auf dem Jakobsweg 14 km bis zum Ziel. Ich denke, dass ist ein Zeichen und nehme natürlich den Kürzeren, denn 31 km sind eine Menge.


So komme ich nach Aschach,wo mich eine Osterwiesen fasziniert.



Dann geht es wieder in den Wald auf einen ganz schmalen Fußpfad und überall blühen Buschwindröschen-Meere und Immergrün. Nach 2 Stunden ist die nächste Pause auf einer Sonnenbank im Wald. Hier begegnen mir das erste Mal Leute im Biosphärenreservat Rhön.







Nun muss ich nur noch eine Forststraße entlang nach Bad Kissingen laufen, wo ich im Gemeindehaus übernachten kann. 


                        Saline
                        Osterbrunnen 


Nach einem kurzen Schwatz mit den Pfarrerei- Damen beziehe ich das Pilgerzimmer und schaue mir Bad Kissingen an. Die Bäderarchitektur ist der Hammer.








Ich besorge mir Proviant und gehe abends zum Friedensgebet und genieße diesen Ruhepunkt am Ende des Tages. 

Abends reibe ich meine Oberschenkel mit Pferdegel ein, denn ich bin heute 471 m bergauf und 1158m bergab!!! gelaufen.🫢

Morgens wache ich erfrischt auf, frühstücke spartanisch und laufe durch die erwachende Stadt. Die Sonne scheint schon, doch es ist noch richtig frisch, sodass ich wieder mit Mütze und Handschuhen starte.
Am Wegesrand ist mein Schatten und begleitet mich.




Schnell komme ich in einen Wald, wo der Lerchensporn in allen Farben blüht. Der Weg ist heute ersteinmal nur Asphalt. Später befestigter Radweg und alles ist gut, bis ich das erste Mal bergab laufe. Oh weh, mein Hintern schmerzt, dass ist der Wahnsinn. Zum Glück nur bergab.




Über Feldwege und Forstwege gelange ich auf den Fränkischen Saale- Weingenuss- Weg in den ersten Weinort Wirmsthal.





Hier ist die Kirche verschlossen, aber da sie windgeschützt in der Sonne liegt, setze ich mich auf die Stufen zum 2. Frühstück. Kurz darauf kommt eine alte Dame und entschuldigt sich, dass sie die Tür noch nicht aufgeschlossen hat, aber sie war beim Arzt. Kein Problem, nun ist sie auf und ich unterhalten mich kurz mit ihr. Ich bitte sie um heißes Wasser für meinen Tee und bekomme ihn mit freundlichen Worten.
Weiter laufe ich entlang des Poetenweges und habe so immer ein bisschen Unterhaltung.





Die Sonne scheint nun wunderbar und ich laufe ohne Jacke seelig durch Wald und Feld, auf viel Betonwegen nach Poppenhausen. Dort suche ich einen Laden, kaufe mir ein Teilchen, Kakao und Abendessen. Ich setzte mich in die Sonne und genieße einen buttrig- fluffigen Streuselkuchen. Weil er so lecker ist, passt auch ein zweites Stück rein. Die letzten Kilometer liegen vor mir.


             Der erste Raps blüht schon.

             Und auch das Scharbockskraut.

                       Immer noch auf dem Marienweg.


Dann kommt mir ein Trecker entgegen und zieht eine Staubfahne hinter sich her, sodass ich warte bis sie verflogen ist.
Ich komme nach Oberwerrn und sehe den Drimmdichpfad mit einem schönen Wortspiel.


Ich suche und finde meine Pension, doch es öffnet niemand. Ich rufe an und die Dame erklärt mir, dass ich kein Zimmer gebucht habe. Wie bitte? Danach wird es noch verrückter. Als ich sage, dass ich vor der Tür stehe, fragt sie wo? Dann erklärt sie mir, dass ihre Pension bei Zella Mehlis sei. Okay. Hier läuft etwas völlig aus dem Ruder und eine leichte Panik befällt mich.
Just in dem Moment kommt eine Frau mit Kind an und erklärt, ich bin richtig. Ich muss erst einmal nachdenken, was hier schief gelaufen ist. Egal, nun habe ich mein Zimmer und kann duschen und den Abend genießen.

Ich setze mich in die Abendsonne und unterhalten mich mit meiner Wirtin und ihren Enkelkindern, die heute alle bei Oma schlafen. Es sind diese Gespräche die den Tag rund machen.
Nach einer guten Nacht stehe ich auf und spüre jeden Muskel. Olala, da hilft nur Pferdegel. Nach einem schönen Frühstück verabschiede ich mich herzlich von meiner Gastgeberin und starte in den sonnigen Tag. Ich brauche auch heute wieder Handschuhe und Mütze. Nach und nach kann ich beides in die Jackentaschen stecke. Ich laufe über weite Wiesen und Felder. Vor Leisenberg ist es so warm, dass ich auch die Jacke ausziehe. Als ich alles in den Rucksack stecken will, merke ich, dass ich einen Handschuh verloren habe. Mist! Ich lege Rucksack und Stöcke hinter ein Gebüsch und laufe die Anhöhe zurück, um zu schauen, ob ich ihn erst auf dem letzten Stück verloren habe. Nichts. 4 km zurück oder mit Verlust leben. Ich besinne mich auf Letzteres ( was mir schwer fällt, also lerne ich gerade " loslassen") und gehe zu meinen Sachen zurück. Wäre es meine bunte Lieblingsmütze gewesen, wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Ich hänge den Anderen richtungsweisend in die Hecke und hoffe, dass jemand beide findet.


Weiter geht es durch Felder und über Hügel und ein Schmetterling setzt sich in die Wiese.


Schnell komme ich nach Egenhausen, wo ich gleich am Dorfanfang in ein Gespräch verwickelt werde. Schön. In der Kirche liegt ein Stempel und dann sitze ich vor dem alten Pfarrhaus in der Sonne und komme von einem Gespräch zum Nächsten und auch zu heißen Wasser für meinen Tee. Doch nach dem dritten Gespräch packe ich meine Sachen, ziehe das erste Mal kurze Hosen an und gehe weiter, bevor der nächste freundliche Bewohner kommt. Heute ist Feld- Wald- und Wiesentag. Ich komme langsam in meinen Rhythmus und komme durch kleine Dörfer, die wahrscheinlich kaum jemand kennt.




In Eckardshausen werde ich am 1. Haus gefragt, ob ich Wasser möchte. Sehr gerne und auch hier wieder ein kleines, nettes Pläuschen. Ich merke, es ist Samstag. Die Kirche ist wunderschön, doch ich verweilen nur kurz. Am Ortsausgang, kommt mir unter einer Brücke, vor dem Wald ein Trecker entgegen. Der ältere Herr im Button- down- Hemd hält an und fragt, ob ich denn keine Angst hätte. Ich antworte: Nein, wollen sie mir was antun? Kurz stutzt er, dann lacht er und verneint. Er gratuliert mir zu meinem Mut und ich sage ihm, der Mensch ist ( meistens) gut. Dann laufe ich unbeschwert weiter.


In Stettbach suche ich vergeblich eine Bank und laufe weiter. Am Wegesrand, im Unterholz, knackt es und drei Rehe laufen vor mir davon. Dann finde ich zwischen den Feldern ein Kreuz mit Bank und genieße eine Sonnenpause.



Den ganzen Tag treffe ich überall nette Leute, die mit mir schwatzen oder den Weg zeigen. Vor Gänheim ist ein Kreuz abgestürzt und auf dem Sockel steht: Im Kreuz ist heil. Das lässt mich schmunzeln, weil ich denke, dass hat jemand wörtlich genommen. Hier ist auch ein schöner Osterbrunnen aber die Kirche verschlossen. Die letzten Kilometer bis zum Ziel lassen mich Frohlocken, denn blühender Weißdorn verströmt seinen Duft und ein alter, blühender Obstbaum versteckt mich in einer Wolke Blütenblätter, als der Wind durch ihn streicht.



So komme ich in Binsbach nach 26 km direkt an der Pilgerherberge an und finde den Schlüssel. Ein schönes Domizil ganz allein für mich. Sie ist im alten Pfarrhaus und wird von Freiwilligen betreut. Sogar etwas für das Abendessen und Frühstück wird bereitgestellt. Wie lieb von Ihnen. Ich bin sehr dankbar, denn in meinem Rucksack ist nur noch Müsli.





Abends koche ich mir Nudeln und die restlichen brate ich mit Zucker und Butter an, da habe ich gleich morgen noch eine süße Verpflegung. 

Am nächsten Morgen esse ich Frühstück und räume die Herberge auf. Ich beziehe mein Bett frisch und hinterlasse alles so, dass die Freiwilligen nichts zu tun haben. Ich finde dieses Engagement sehr bewundernswert.

Draußen ist es bewölkt, aber warm, sodass ich die Handschuhe nicht vermisse und die Mütze im Rucksack bleibt. Es geht gleich auf einen Waldweg und dann über Feldwege an die A 7. So laufe ich mit sonntäglicher Geräuschkulisse hinter einem Waldstreifen entlang und komme an zwei Rastplätzen vorbei, die sich dadurch ankündigen, dass der Wald extrem verunreinigt ist. 
Heute führt mich der Weg hauptsächlich auf Wald- und Feldwegen und die Knospen spießen, jeden Tag entdecke ich neue Blumen und auch die Insekten werden rege.







Ich komme nach Maidbronn, wo ich in der Kirche vor einem Altar von Tilman Riemenschneider stehe: Beweinung Christi.
 

Vor der Kirche steht eine Bank und es ist Zeit für eine Pause. Ich finde auch einen jungen Mann, der mir Kaffeewasser gibt, sodass es perfekt ist.



Nach einer Stunde starte ich zum Rest des Weges nach Würzburg. Am Osterbrunnen vorbei geht es sofort wieder über Felder vorbei an einer Selbstpflücker- Streuobstwiese.



Ich komme zur Rochuskapelle und durch eine wunderschöne Baumallee geht es auf einen Kreuzweg nach Versbach.





Über kleine Wege, durch Wiesen noch einmal steil hoch und dann wieder hinunter laufe ich in Würzburg ein und folge der Markierung zum Dom. Dort bekomme ich einen Stempel und ich schaue mir den Dom an.






Dann schalte ich den Kilometerzähler aus (26,6km) und fahre mit dem Bus nach Gerbrunn, wo ich heute ein Bett bei einem Pilger des Jerusalemway - Vereins habe.
Ich werde herzlich von Sabri begrüßt und wir unterhalten uns angeregt, bevor ich die tägliche Pilgerroutine erledige. Zum Abend werde ich zu einem riesigen Festessen eingeladen. Alles vom Hausherren selber gekocht. Ich schwebe im Pilgerhimmel. Sogar einen Nachtisch hat er gezaubert. Was für ein Geschenk und ein Genuss. Heute schlafe ich leicht überfuttert ein.😋













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