Mal hügelig, mal flach

Nach einem kleinen Frühstück und einer herzlichen Verabschiedung starte ich heute in einen sonnigen, sehr windigen Tag. Aus der Stadt heraus ist es, wie fast überall, nicht wirklich schön. Über die elektrischen Leitungen kann ich nur schmunzeln. Hier können die Spanier noch etwas lernen.🫣

Ich bin froh, dass der Damm mich bald wieder in die Natur führt. Heute stehen hier riesige Pusteblumen in einer grazilen Geometrie.



Wie ich so laufe und staune unterquere ich die Autobahn und plötzlich denke ich: Halt, sollte ich nicht abbiegen? Ein Blick auf die Karte zeigt, ich habe den Abzweig verpasst. Der zweite Blick verrät mir, ich muss nicht ganz zurück, sondern ein Trampelpfad bringt mich weiter unten auf den Weg zurück. Also hinein auf den Pfad zwischen  hüfthohen Gras.

Dann führt ein federnder Brettersteg durch einen Feuchtbiotop und zu einem Fluss mit vielen Angelplätzen. Dahinter geht es in einen kleinen Wald und ein Eichhörnchen schaut mich erschrocken an. 



Auf einem Hügel kann ich zurück schauen. Jetzt verlasse ich die Tiefebene und es geht etwas hügeliger zu.


An den ersten Weingärten und Wochenendhäuschen vorbei komme ich an ein neu erschlossenes Baugebiet und staune, was für "Hütten" hier stehen. Gegenüber finde ich auch ein traditionelles Haus.




Zwischen den Feldern treffe ich einen entgegen kommenden ungarischen Pilger. Ich spreche ihn an, aber er ist nicht gesprächig und versteht auch kein Englisch, also kurze Worte und ein Bye, Bye und jeder geht weiter.
Ich mache eine Pause auf einem Spielplatz am Hügel, doch pfeift der Wind so stark, dass sie wirklich nur kurz ist.
Dann geht es in den Wald, hoch hinauf auf den Baráti -Hegyy (310m), steil runter und wieder rauf zum Baràti- Nugereg (285m) und noch einmal runter und wieder rauf auf den Lila-Hegy (312m), auf dem ein Aussichtsturm steht, der auch noch erklommen wird.




Der Rundumblick ist wahnsinnig schön und in der Ferne sehe ich schon mein heutiges Ziel.





Wieder unten geht es im ständigen hoch und runter durch geniale Hohlwege und Waldpfade. Der Liguster blüht und duftet wunderbar.





Später gehe ich durch lange, steil bergab verlaufenden Hohlwege, deren Erdschicht 4-5 Meter links und rechts Mauern und die Wurzeln der Bäume interessante Vorhänge bilden. Es ist bezaubernd durchzulaufen.




Allerdings bekommt das viele bergab laufen heute mal meinem rechten Fuß nicht, der Spann ist angespannt und schmerzt. In Écg finde ich eine Konditorei und gönne mir eine lange Pause, zumal es gerade zu tröpfeln beginnt.



Die letzten Kilometer ziehen sich dann und ich hinke ein bisschen. Ein paar Tropfen fallen vom Himmel und ich kann das Kloster von Pannohalma schon sehen.




Ich laufe direkt zum Gästehaus, wo ich ein Appartement reserviert habe. Den Pilgerrabatt, den die Website ankündigt kann/will die Dame mir nicht gewähren. Ich erfahre, dass ich der einzige Gast auf dem riesigen Gelände bin 



Ich ruhe mich aus, schaue nach geöffneten Restaurant und es gibt nur eine Pizzeria. Ich entscheide mich für Zimmerservice und ziehe die Schuhe noch einmal an. Es geht 1 km bergauf zum Kloster, doch der Eintrittspreis von 10€ schreckt mich ab. 18 Uhr ist Vesper und eigentlich würde ich gern hingehen, aber mein Fuß schmerzt jetzt richtig. Ich kaufe mir etwas zu essen und gehe zurück. Ich bin fast 34 km und 585 Höhenmeter gelaufen und beschließe, den Gottesdienst zu lassen, denn dass reicht für heute. Dann war ich eben nicht drin!



Zurück im Quartier, lege ich die Füße hoch, lese, telefoniere und mache mir ein schönes Zimmerpicknick.


Nachts schmerzt der Fuß und ich erinnere mich, dass ich noch immer Tape vom Camino im Rucksack habe. Morgens schaue ich ein Video, wie es geht und tape den Spann ab.


Ein kleines Frühstück noch und dann verlasse ich die Unterkunft und laufe zum Kloster. Es hat natürlich geschlossen und auch die Kapelle auf dem Hügel gegenüber ist morgens um acht noch zu 



Auf einem schönen Waldweg geht es nach unten und zwei Eichhörnchen jagen durch das Geäst. Eines hält inne und schaut zu mir herunter 



In der Ferne höre ich die Rasentrimmer und kurze Zeit später entdecke ich sie auf einer Wiese.


Ich komme an einem Feld vorbei, wo sich die Ähren schon langsam gelb färben. Die Natur ist schon weit.



 
Es ist hier sehr ländlich geprägt und die Obstbäume haben viele Früchte angesetzt. Ich finde sogar die ersten reifen Kirschen und pflücke eine Hand voll. Kirschkern- weit -spuckend laufe ich weiter und erinnere mich, welchen Spass ich mit Benjamin und Marc bzw. mit Han und Wilhelm auf den Caminos hatte. Heute bin ich eindeutig Gewinner.😉


Ich gehe ganz bewusst langsam, um meinen Fuß zu entlasten und in Táp setze ich mich zur ersten Pause hinter die Kirche und lege die Füße hoch.
Erfrischt geht es weiter und der Himmel ist heute bedeckt. Es tröpfelt ab und an, aber es lohnt sich nicht die Regenjacke anzuziehen.
Ich komme am Friedhof vorbei und muss über die " Gießkannen" schmunzeln. Selbst im Dorf traut man niemanden über den Weg.🫣


Ich biege auf einen Feldweg ab und meine Augen sehen ein Meer von Lila. Ein gigantisches Mohnblumengeld, die lila Blüten brusthoch und darunter roter Mohn, ein bisschen gelber Raps. Ich bin völlig aus dem Häuschen. So etwas habe ich noch nie vorher gesehen. 




Schade dass die Kapseln noch grün sind, sonst hätten welche in den Rucksack gepasst.
Inzwischen wird der Regen etwas mehr und ich ziehe die Regenjacke an. Nach einer Weile habe ich das Gefühl, von innen steht mehr Wasser als von außen in der Jacke.
Ich komme nach Bársonyos, wo ich die nächste Pause mache. Das langsame Laufen strengt mich mental zwar an, aber ich merke, dass es dem Fuß gut tut.
Ich setze mich neben eine Kanone, die an einen Krieg erinnert. Sie steht unter einem Dach. Die Bank steht im Regen. Nach einer halben Stunde schaue ich, wann der Bus kommt. Erst in zweieinhalb Stunden. Nein, da laufe ich lieber langsam weiter.
Der Regen ist etwas stärker geworden, doch dass stört mich nicht.
Ich laufe durch Weingärten, jage ein Fasanenpaar am Feldrand hoch, als ich meine Jacke ausziehe. Weiter geht es an Wiesen vorbei, wo ein Reh äest und ein Storch spazieren geht. Über mir fliegt ein Bussard und ich genieße den weichen Sandweg.




Dann finde ich mal wieder den Weg nicht, mein GPS schickt mich in dieses grüne "Gemüse". 


Beim letzten Mal, als ich der Community anzeigte, dass es kein Durchkommen gab, befanden die "Alphatiere", dass sei doch nicht so schlimm gewesen. Sie wären durchgekommen. Das Weichei will ich mir natürlich nicht annehmen und so schlage ich mich beherzt hinein, was zur Folge hatte, dass ich in einem zugewachsenen Hohlweg durch Äste kletterte  und dann viel zu weit weg auf einer befahrenen Landstraße lande. Totaler Humbuck. Die Laster donnern im Feierabend - Verkehr neben mir vorbei und die " Nahtod- Erfahrung" ist allgegenwärtig. Damit ich es nicht wieder probiere, brennen meine Waden von Brenesseln und die Brombeerranken haben auch die eine und andere Spur hinterlassen. 

Ich komme lebend nach Kisbér auf dem Bürgersteig an und kaufe zur Kirche. Die Tür ist offen, aber der Altarraum versperrt. Also nur kurz Danke.


Ich suche meine Pension auf und habe für zwei Nächte ein Appartement mit Balkon. Bewacht wird das ganze von einem friedlichen, großen Kuscheltier🫣.



Nach dem Duschen finde ich noch 1,2,3,4 kleine Zecken in meinen Waden und drei bekomme ich wunderbar mit der Zeckenzangen raus, nur Nummer 4 hat den Kopf tief gebohrt, sodass ich mit einer Nadel operieren muss. Nie wieder Dickicht, ist meine heutige Lehre!
Abends gehe ich in das Restaurant gegenüber, wo der Wirt gut Deutsch spricht. Er hat in der DDR und später im Westen in der Textilindustrie gearbeitet. Er behauptet tatsächlich, dass es 1989 in Dresden und Leipzig noch jede Menge Ruinen gegeben hat! Der Zwinger wäre noch zerbombt gewesen. Ich schüttel den Kopf. Er glaubt mir nicht, obwohl ich ihm sagen, dass ich da 40 Jahre gelebt habe!
Ich esse einen großen Salat und danach einen Gundelpalatschinken. Ein Radler ist hier ohne Alkohol aus der Dose und als ich nach "mit Alkohol" frage, mixt er mir ein Bier mit Fanta. Schmeckt auch.
Kullerrund verlasse ich das Lokal und rolle mich in mein Bett. Oh weh, war da viel Knoblauch am Dressing. Ich merke es erst jetzt am Durst.😉


Die Nacht war sehr unruhig, da die Unterkunft an einer großen Straße liegt und ich das Gefühl hatte, die LKWs fahren über mein Kopfkissen. Doch dank Spotify könnt ich doch noch einschlafen.
Heute morgen gehe ich mit leichtem Rucksack an den Start, werde ich doch zurück fahren, da ich mein Bett für zwei Nächte gebucht habe. 
Ich laufe los und es sind schon morgens sonnige 20°C. Der Weg führt schnell auf einen Feldweg und vorbei an Getreide- Mais- und Sonnenblumenfeldern. Ich träume vor mich hin und genieße die Ruhe. Ich komme an einem kleinen Weiher vorbei und auf einer Wiese schaut ein Reh herüber.




Dann endet der JW mal wieder in einem Feld und ich versuche, ohne Schaden anzurichten, in der Furche entlang zu laufen. Ich hoffe nur der Bauer kommt nicht vorbei. Danach komme ich an eine Landstraße und dahinter wieder auf den JW nach Ete, einem kleinen Dorf mit Reifen- Blumenbeet- Kunst.


Von da geht es wieder über Felder auf einem sehr sandigen, staubigen Weg zu einem Pferdehof, der völlig allein im Nirgendwo liegt. Ein Hinweisschild schickt mich auf einen alten, verkrauteten Friedhof.

 
Plötzlich wechselt der Untergrund und ich laufe mehrere Kilometer auf einer alten, unbenutzten Straße, bevor es wieder sandiger wird.


Ein Reh springt auf, als ich um die Ecke komme und kurz danach fliegt ein Fasanenpaar neben mir auf und ich erschrecke mich fürchterlich.



Nun heißt es immer der Sandpiste folgen und hoffen, dass...


... kein Traktor kommt.🫣


Die Staubwolke ist immens und ich halte die Luft an. Ziemlich eintönig und inzwischen sehr heiß marschieren ich die 21 km bis Nagyigmánd, wo ich am Friedhof erst einmal Druckbetankung am Wasserhahn vollführe. Ich muss jetzt mehr Wasser mitnehmen, da es immer heißer wird und Ortschaften eher aus nur ein paar Häusern bestehen.
12:00 bin ich an der Bushaltestelle und 12:05 kommt tatsächlich der Bus, der mich zurück nach Kisbér bringt. Nun weiß ich auch, wo hier die Haltestelle für morgen früh ist. Das Busticket kostet umgerechnet knapp 1,50 €, was ich als sehr günstig empfinde.
Zurück in Kisbér gehe ich zur Apotheke um mir neues Kine-Tape zu kaufen und dass ist hier echt teuer. Aber da muss ich durch, habe ich doch das Gefühl, dass es damit meinen Fuß besser geht.

Im Quartier mixe ich mir erst einmal ein Radler gegen den Durst und dann lege ich die Füße hoch. Ich finde es lustig, dass hier das Radler immer ohne Alkohol ist. Es schmeckt total süß und ruft nach einer Bier- dazu- Mischung. Langsam habe ich es raus.🤣


Obwohl ich es heute vermieden habe, durch hohe Gräser zu gehen, finde ich wieder zwei Zecken an meinen Beinen. Das wird heiter. Ich fühle mich wie ein Hund, der nach jedem Auslauf auf Zecken kontrolliert werden muss.🫣

19 Uhr gehe ich zum Restaurant um etwas zu essen, doch da hat gerade die Köchin Feierabend gemacht. Wann essen die Ungarn zu Abend? Es hilft nix, dann gibt es heute ein einfaches Balkon- Picknick. Zum Glück habe ich noch etwas eingekauft... eigentlich für Morgen.

Kommentare

  1. War ja wieder ein sehr interessanter Bericht. Danke liebe Bruni.
    Übrigens das Kochbuch von Károly Gundel habe ich mir zu DDR Zeiten in Denen gekauft in deutscher Sprache.
    Ich wünsche dir eine n gesunden Weiterlauf 😇 beschützt dich. Liebe Grüße von Regina

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