Pilgerüberraschung
Nach einer weiteren unruhigen Nacht stehe ich früh auf und fahre 6:30 Uhr mit dem Bus nach Nagyigmánd. Ich gehe zur Kirche,die geschlossen ist und umrunde sie einmal. Gerade als ich am Tor bin kommt ein Mann mit dem Schlüssel. Es ist der Messner, der den Gottesdienst vorbereitet. So komme ich in den Genuss mein Pilger- Morgen- Ritual mal wieder in der Kirche zu halten. Obendrein gibt es noch einen Stempel
Ich laufe in die Felder und denke, dass hier das Wort Weite eine eigene Dimension erhält. Ich beobachte einen Greifvogel, der sich sein Frühstück abholtt.
Am Anfang geht es auf einem schattigen Weg und ich bin heute für jeden Strauch und Baum dankbar, der Schatten spendet, denn ich bin bei muggeligen 20°C gestartet. An Windrädern vorbei wechseln die Feldfrüchte und die Bodenbeschaffenheit des Weges. Heute ist von allem etwas dabei. Beton, Wiese, Sand...
Ein kleiner Vogel badet in einem " Restloch" und ich frage mich, wo das Wasser herkommt, denn es ist alles knochentrocken hier.
Bald komme ich nach Mocsa, wo ich stutzig werde, weil kein Hund bellt! Was ist hier los? Die Tiere liegen dösend im Schatten und ihnen ist wahrscheinlich zu heiß zum Kläffen. Bei einer schattige Bank mache ich eine schöne Pause. Die Kirchenglocken läuten zum Gottesdienst. Der Pfarrer geht 3x an mir vorbei und erwidert erst meinen letzten Gruß. Wie ist der denn drauf ? 9:30 Uhr ist Gottesdienst und langsam kommt etwas Leben ins Dorf. In beschließe bei soviel Desinteresse weiter zugehen, denn es soll bis zu 31°C heiß werden.
Es wird immer heißer, sodass ich die erste Flasche Wasser schnell ausgetrunken habe. Da keine Bank in Sicht ist, verzichte ich auf eine Pause und laufe weiter. Auch an einem kleinen See gibt es keine Bank. Nur Anglerbänke und denen traue ich nicht. Ich beobachte kurz die Seeschlange und ziehe weiter, einen Hügel hinauf.
Da Bänke Mangelware sind, trinke ich nur noch einmal etwas und laufe in die Stadt. In der Kirche ist es kühl und so setzte ich mich hinein und genieße die Ruhe und Kühle.
Die ungarische Improvisationsmentalität findet auch hier einen Höhepunkt in dem frei schwebenden Abwasserrohr. Das Ende ist das kurioseste.
Tata ist voller Menschen und rund um den See hat sich die Stadt heraus geputzt. Da ich noch Zeit bis zum Einchecken habe, setze ich mich unter eine riesige Plantane und beobachte die Sonntagsspaziergänger.
Das schönste ist auch hier die Dusche. Heute gibt es zwar eine Wandhalterung, aber je nach Wasserdruck springt der Kopf in verschiedene Richtungen. Ich schaffe es mal wieder, das Bad unter Wasser zu setzen. Ich bin gespannt, ob ich in Ungarn noch einmal eine voll funktionierende Dusche finde.
Nach dem Duschen gehe ich zurück in die Stadt, um Proviant für Morgen zu kaufen, was kein Problem ist, haben die Supermärkte Sonntags bis 19 Uhr geöffnet. In einem Restaurant bestelle ich mir eine vegetarische Pizza und dazu ein Radler. Hier kennt man es. So lasse ich den Tag lecker ausklingen.
Von Erika bekomme ich eine WhatsApp. Sie schreibt, sie kommt morgen früh nach Tata und Pilgert mit mir 2 Tage! Wow, dass ist eine Überraschung und Freude. Haben wir doch noch etwas Zeit und besser kennen zu lernen. Ich freue mich riesig.
Morgens warte ich ab der Bushaltestelle auf Erika und sie kommt lächelnd daher geschlendert. Wir begrüßen uns und laufen dann zum See, an dem der JW entlang führt. Von einem See geht es zum nächsten und dort hat ein Bistro schon geöffnet und wir machen eine Kaffeepause. Die Dame ist etwas unfreundlich und Erika diskutiert etwas mit ihr, aber ich verstehe nicht warum. Der Kaffee schmeckt nach Instant, ist nur warm und im Plastebecher. Kein Genuss aber Coffein.😊
Wir laufen bis nach oben und überqueren den Kamm. Dann geht es ein Stück auf gleicher Höhe, bevor es abwärts und noch einmal steil aufwärts geht. Auf verschlungenen Wegen pilgern wir abwärts nach Vértestolna, einem Ort wo die Schwaben- Deutsche gelebt haben. Deshalb steht auch noch deutsch angeschrieben: Kindergarten, Kulturzentrum... Wir sind an der Kirche, die verschlossen ist, aber ich entdecke einen Wasserhahn und so kühlen wir uns ab, trinken und füllen die Flaschen wieder auf.
Dann entdecken wir auch noch eine Traffik, die Kaffee hat und wir setzen uns in den Schatten und lassen uns den Kaffee schmecken. Endlich ein richtiger Kaffee.
Die Sonne knallt mit aller Kraft und wir können zum Glück wieder durch den Wald laufen.
Andrasch ( Andreas) ist so ein Schwaben- Deutscher und wechselt zwischen ungarisch und deutsch. Er erzählt, dass er schon öfter Pilger hier sitzen hat. Er schenkt das Glas voll und er schmeckt lecker, leicht...denke ich.
Kaum ist es leer, wird nach geschenkt und als wir gehen, laufe ich leicht beschwingt weiter. Kein Wunder bei der Hitze, über 3 Liter Wasser und relativ wenig im Magen.
Heute sind wir in einer Pilgerherberge untergebracht, die mit jeder Herberge in Spanien mithalten kann. Der Preis ist nur ein anderer. Ich bin immer wieder erstaunt darüber.
Nach einer etwas unruhigen Nacht sind wir schon früh wach und jeder beginnt mit seiner Routine. Ich schaue auf mein Handy, dass mir sagt: Heute 6°C kälter als gestern! Die Prognose für heute: 28°C. Kann man da wirklich von kälter sprechen? geht es mir durch den Kopf. Angenehmer wäre besser, denke ich. Es wird also ein schöner Tag.
Ein kleines Frühstück noch und dann starten wir. Noch ist die Sonne hinter ein paar Wolken und es sind angenehme Temperaturen.
Es geht auf der Straße entlang und ich finde ein bayrisches Haus und eine Infotafel zur Geschichte der deutschen Siedler.
Am Ortsausgang teilt sich der Weg und wir biegen auf einen breiten Feldweg ab.
Wir laufen an riesigen Feldern vorbei in die Hügellandschaft und der Blick zurück ist auch wunderschön. In der Ferne steht ein Reh mit Kiez.
Wir kommen zu einem kleinen See, wo jede Menge Datschas stehen. Ein Anblick fast wie in Schweden.
Dann geht es auf den Fahrradweg und somit auf Beton. An einer Pausenbank machen wir eine kleine Pause. Inzwischen scheint die Sonne kräftig, obwohl es erst gegen 9 Uhr ist. Weiter ziehen wir und Erika humpelt plötzlich. Ihr Fuß schmerzt. Sie setzt sich an den Feldrand und zieht die Socken aus. Autsch, auf ihren Zehenballen ist eine große Blase. Ich verarzte sie mit Blasenpflaster und frage, ob sie eine Schmerztablette will. Nein. Okay. Wir laufen weiter und sie meint es geht irgendwie. Etwas schweigsam, aber nicht unangenehm gehen wir langsam weiter. Mein Schienbein macht sich auch bemerkbar. Invaliden-Pilgern ist angesagt. Dicke Wolken ziehen auf und wir hoffen, dass der Wind sie vertreibt. Doch bald ziehen wir die Regencapes an, denn ein schöner Landregen fällt auf uns hernieder. Vielleicht 20 Minuten, dann ist er vorbei. Doch nach einer kurzen Weile folgt ein weiterer Schauer obwohl über uns blauer Himmel ist. Ich suche vergeblich nach einem Regenbogen.
So kommen wir nach Mány, wo es einen Kaffee in der Traffic und eine Bank in dem Park gibt.
Wir machen eine schöne, große Pause und legen unsere Füße hoch.
Nach einer Stunde raffen wir uns auf weiter zu laufen. Den Bus lassen wir einfach abfahren.
Eine Frau kommt mit einem großen Eimer Knubbel Kirschen an uns vorbei. Wir grüßen und lassen ein mhm, lecker raus, doch sie reagiert nicht. Schade. Kurze Zeit später entdeckt Erika auch einen Kirschbaum und wir pflücken eine Handvoll. Ich will sie zum Weitspucken animieren, aber sie macht nicht mit. Kaum bin ich fertig, spuckt sie eine ganze Batterie Kerne nacheinander aus und es sieht aus, wie die Ballmaschine beim Tennis. Ich lache und erkläre es ihr warum und dann lachen wir beide.
Ein Stück müssen wir an einer großen Landstraße laufen, bevor es wieder auf einen Feldweg geht. Hier können wir zarte, grüne Erbsen naschen. In der Ferne sehen wir einen Steinbruch, der bald immer näher kommt. Wir laufen einen Hügel hinauf, doch plötzlich stimmt der Weg nicht mehr. Wir suchen und Erika entdeckt dann einen kleinen Pfad zwischen zwei Feldrainen.
Es führt uns langsam hinauf auf eine wunderschöne Wiese mit ganz vielen Blumen, die ich nicht kenne. Erika sagt mir die ungarischen Namen, die ich mir natürlich nicht merken kann. Kleine Hügel- Erdbeeren leuchten rot, sind aber wegen der Trockenheit winzig.
Oben angekommen, legen wir uns ins Gras und machen erneut Pause.
Dann geht es bergab, durch einen großen Pferdehof auf die Straße nach Zsámbek (
Schambeck steht auch am Ortseingang).
Unsere Pilgerherberge ist gleich am Anfang und mit einem Zahlencode kommen wir hinein. Sie ist riesig, nicht ganz sauber aber sehr preiswert. Wir richten uns ein und dann meint Erika, sie kann morgen mit der Blase nicht laufen. Es macht keinen Sinn. Deshalb wird sie doch schon heute nach Hause fahren. Ich bin traurig, habe ich ihre Gesellschaft als sehr angenehm empfunden, aber ich kann sie verstehen. Wir gehen noch etwas zu Essen kaufen und dann bringe ich sie zum Bus. Bye, Bye Erika, es war so schön mit dir.
Zurück in der Herberge fühle ich mich allein ein bissel unwohl und überlege kurz mir ein Zimmer zu suchen. Doch als ich die Preise bei Booking sehr, gebe ich die Idee sofort auf. Dann lieber eine Scarry-Night in der Herberge. Ich verbarrikadiere die Tür, dusche, telefoniere und esse etwas zum Abend. 20 Uhr liege ich schon im Bett, denn morgen sollen wieder 31°C werden. Da will ich früh los.
Die Nacht war ein bisschen unruhig und ich habe wenig geschlafen. Bin trotzdem 6 Uhr wach und laufe heute 7 Uhr los.
Beim Bäcker im Ort kaufen ich zwei Plunderteilchen. Da es keine Sitzplätze gibt, verzichte ich auf Kaffee und Frühstück und packe meinen Einkauf in den Rucksack. Ich fotografiere noch die Kirche und die alte Kirchruine auf dem Weg.
Gestärkt geht es weiter. Zum Glück geht der Weg jetzt in den Wald. Der Schatten ist zwar nicht kühl, aber doch etwas angenehmer als die volle Sonne. Ich steige über hohe, morsch ausschauende Leitern und komme in einen geschützten Wald.
Es läuft sich super. Dann kommt wieder ein etwas zugewachsener Hohlweg mit jeder Menge Spinnweben. Ich nehme die Stöcke vor die Brust und wackel, um die Gespinste zu entfernen, denn es nervt immer wieder Spinnweben ins Gesicht zu bekommen.
Bald bin ich in Budakeszi. Ich finde keinen Wasserhahn und so kaufe ich bei Lidl noch eine 1,5 l Flasche Wasser, weil meine 2,5 l schon fast ausgetrunken sind. In der Mittagshitze habe ich viel Durst. An der Kirche ist ein schöner Pausenplatz und ich mache nach 25 km eine lange Pause. Das zweite Teilchen ist dran.
Da es die Pilgerherberge hier nicht mehr gibt und die preiswerteste Pension 63€ ohne Frühstück kostet, laufe ich durch bis nach Budapest.
Jetzt ist der Weg ein breiter Kiesweg und mir kommen tatsächlich ein paar Wanderer entgegen. Ich komme auf einem Hügel raus, wo es einige Gaststätten gibt, Parkplätze, Bänke...ein Naherholungsgebiet über Budapest. Kurze Zeit später kann ich auf die Stadt blicken. Sie schaut riesig aus.
Nun geht es immer bergab und ich laufe durch ein Villengebiet, dass alles hat. Gigantisch, traditionell, einfach und verlottert.
Dann bin ich unten und laufe durch einen lauten Tunnel zur Donau und über die Brücke zur St. Stephan- Basilika. Nach 35 km stehe ich davor.
Im Shop bekomme ich den Pilgerstempel für den heutigen Tag.
Ich gebe bei Google die Adresse meiner Unterkunft ein und sehe, dass sie ein ganzes Stück außerhalb liegt.
Pilgerehrgeiz lässt mich dahin laufen und unterwegs sehe ich viele interessante Sachen.
So sehen Brücken in Budapest aus, über die der Verkehr rauscht
Ich komme an der Straße an und das Haus ist ein Abriss- Haus. Das kann nicht sein. Ich rufe Holger an und er versucht rauszufinden, wo ich bin. Ich schicke ihm den Standort, aber das Internet will nicht. Der Akku ist leer und ich drehe ein bisschen durch. Powerbank raus und bei Ringo nachgefragt, der mir die Adresse geschickt hat.
Dann endlich findet Holger die Straße, wo ich stehe. Ich bin total falsch und ich verstehe nicht warum.
Verstehe das wer will. Es gibt die Straße im Zentrum und im IX. Bezirk, wo ich war.
Zurück laufen ist nicht mehr drin. Ich muss die Metro nehmen und da steigt wieder Panik auf. Ich fahre nicht gern Metro und ich habe Bammel mit dem Fahrscheinautomat. Holger staucht mich zusammen, das wäre ja nicht schwer. Ich finde in meiner Panik nicht, welches Ticket ich brauche und bitte eine junge Frau um Hilfe. Sie gibt alles ein und als sie sieht, dass ich Bargeld in der Hand habe, bezahlt sie mit ihrem Handy, da es nur mit Karte geht. Ich will ihr das Geld bar geben, doch die sagt nein und wünscht mir einen guten Abend. Wie nett von ihr. Ich danke und fahre mit der U- Bahn zurück ins Zentrum, dann noch 800 m und ich bin da. Fix und fertig, mit 4 Liter Wasser, dass ich nicht nur getrunken sondern auch wieder ausgeschwitzt habe und 45,4 km auf dem " Tacho". Bin ich meschugge!?!
Ich will nur noch ins Bad und die Füße hochlegen. Die Hitze hat mir eine schöne Allergie beschert und ich hoffe, alles sieht morgen wieder besser aus.
Auweia, da hast du ja eine Strapaze hinter dir . Das sind ja km hinter dir bei der Hitze. Ich wünsche dir einen guten weiterlauf und gebe acht auf dich. Liebe Grüße von Regina
AntwortenLöschenMache ich.
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